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Industrieroboter

Aktive Schwingungsdämpfung für die Zerspanung

01.10.2024
von Redaktion DER KONSTRUKTEUR

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Für die spanende Bearbeitung metallischer Werkstoffe werden Werkzeugmaschinen eingesetzt. Für Prozesse mit geringen Anforderungen hinsichtlich der Fertigungsgenauigkeit sind Werkzeugmaschinen jedoch aufgrund der hohen Investitionskosten oftmals nicht wirtschaftlich. Hierfür bietet der Einsatz von Industrierobotern in der Zerspanung eine vielversprechende Alternative. Herausforderungen bei Zerspanungsrobotern sind jedoch z. B. eine geringere Getriebesteifigkeit und sowie eine höhere Schwingungsanfälligkeit. Im Forschungsprojekt “Aktive Schwingungsdämpfung eines Zerspanungsroboters mit Hybridantrieb” (ASK-ROB) entwickelt das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover ein neuartiges modellbasiertes Regelungsverfahren für einen prototypischen Zerspanungsroboter. Dabei werden positionsabhängige Strukturschwingungen aktiv gedämpft, um die Fertigungsgenauigkeit der zu bearbeitenden Werkstücke zu erhöhen.

Zerspanungsroboter: Flexibel und Kosteneffizient

Heutige Werkzeugmaschinen sind für die Hochpräzisionsfertigung ausgelegt und erreichen Fertigungsgenauigkeiten im einstelligen Mikrometerbereich. Für großvolumige Bauteile werden spezielle Werkzeugmaschinen, z. B. in Portalbauweise, eingesetzt. Für Bauteile mit geringeren Anforderungen an die Fertigungsgenauigkeit können diese Maschinen jedoch unverhältnismäßig hohe Betriebskosten verursachen [KLI17]. Industrieroboter bieten hier eine vorteilhafte Alternative. Sie zeichnen sich durch ihre Flexibilität in der Spindelorientierung und ein besseres Arbeits-zu-Bauraumverhältnis aus [DEN17]. Im Vergleich zu großen Portalmaschinen sind Industrieroboter kosteneffizienter, da sie geringere Anschaffungskosten und Betriebskosten aufweisen. Sie sind besonders geeignet für die Bearbeitung großer Teile oder Werkstücke mit niedrigen Toleranzanforderungen und geringen Schnittkräften. Dazu zählt vor allem die Bearbeitung von Werkstoffen wie PU-Schaum, Kunststoff und Holz. Die Anwendung von Zerspanungsroboter erstreckt sich zunehmend auch auf die Bearbeitung von Aluminium und die Gussnachbearbeitung [HOP08].

Herausforderungen bei der Zerspanung mit Robotern

Obwohl Industrieroboter aufgrund ihrer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Fertigung zunehmend Verbreitung finden, stehen sie vor erheblichen Herausforderungen, die ihren Einsatz bei der Präzisionsfertigung einschränken. Ursprünglich für Handhabungsaufgaben entwickelt, sind sie anfälliger für Schwingungen und haben im Vergleich zu herkömmlichen Werkzeugmaschinen Defizite bei der Positioniergenauigkeit und Steifigkeit. Diese Einschränkungen sind vor allem auf die langen Hebelarme und die serielle Kinematik zurückzuführen. Zerspanungsroboter weisen im Vergleich zu Werkzeugmaschinen folglich eine signifikant höhere Nachgiebigkeit auf. Aufgrund dieser höheren Nachgiebigkeit können Schwingungen im Fertigungsprozess (z. B. Rattern) bereits mit geringen Schwingungsamplituden zu unzulässigen Fertigungsabweichungen führen. Mit konstruktiven Maßnahmen (z. B. zusätzliche Versteifungen) lässt sich die Steifigkeit und damit die Präzision von Zerspanungsrobotern steigern. Zwar erhöhen zusätzliche konstruktive Versteifungen die statische und dynamische Steifigkeit, jedoch mindern derartige Maßnahmen die Verfahrdynamik und damit die Produktivität von Zerspanungsrobotern. Deshalb müssen diese Maßnahmen auf ein notwendiges Minimum beschränkt werden, um die Vorteile der Industrieroboter zu erhalten. Ein möglicher Ansatz sind intelligente Regelungskonzepte, um ohne oder nur mit minimalen zusätzlichen konstruktiven Maßnahmen die Fertigungsgenauigkeit zu steigern. Die neuartigen Regelungsansätze werden vom IFW im Forschungsprojekt „ASK-ROB“ erforscht. Ziel der Regelungskonzepte ist es, auftretende Schwingungen mithilfe der Antriebe des Zerspanungsroboters aktiv zu dämpfen.

Neuartige Ansätze im Forschungsprojekt ASK-ROB

Im bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt „Innoflex“ wurde ein Zerspanungsroboter für die Leichtzerspanung prototypisch umgesetzt. Im Forschungsprojekt „ASK-ROB“ wird der Zerspanungsroboter weiterentwickelt. Der Zerspanungsroboter ist in der zweiten und dritten Achse mit Torquemotoren ausgestattet. Aufgrund der Direktantriebe weist der Zerspanungsroboter grundsätzlich eine höhere Verfahrdynamik auf. Im Forschungsprojekt wird untersucht, inwieweit die Torquemotoren zur aktiven Schwingungsdämpfung, insbesondere bei hochdynamischen Positioniervorgängen, eingesetzt werden können. Im Bild oben ist der Innoflex-Roboter dargestellt. Der abgebildete Roboter verfügt über drei Drehachsen, die eine präzise Ausrichtung des Tool Center Points (TCP) ermöglichen. Die A1-Achse wird durch einen Servomotor angetrieben, während die A2-Achse eine aktive Versteifung durch ein hybrides Antriebskonzept aufweist, das einen Servo- und einen Torquemotor kombiniert. Die A3-Achse ist für eine hohe Dynamik direkt angetrieben, um eine optimale Beweglichkeit am TCP zu gewährleisten. Im ersten Schritt werden nur die rotatorischen Achsen betrachtet. Eine zusätzliche lineare Achse für die Werkstückbearbeitung ist ebenfalls vorhanden, wird aber in der aktuellen Entwicklung und Regelungsstrategie nicht berücksichtigt. Im ungeregelten Betrieb ist der Roboterprototyp deutlich steifer als herkömmliche Roboter. Dies wurde durch größere und steifere Lager sowie durch neue Antriebskonzepte und neuartige Getriebe erreicht. Versuche in einer für die Zerspanung relevanten Pose zeigen eine bis zu achtmal höhere Steifigkeit als bei einem herkömmlichen Kuka-Industrieroboter KR 500 L360-2. Zudem die dynamische Steifigkeit der Roboterstruktur durch einen Torquemotor im Hybridantrieb der A2-Achse aktiv erhöht, um die Positioniergenauigkeit zu verbessern. Bei hochdynamischen Positioniervorgängen mit dem Torquemotor der A3-Achse zeigte sich jedoch eine kritische Grenze: Diese Vorgänge induzierten Schwingungen in der Roboterstruktur, wie im folgenden Bild dargestellt. Die Schwingungen wurden mit einem Laser-Doppler-Vibrometer (Polytec, OFV 303) an Glied 2 gemessen und hatten eine maximale Amplitude von 6,1 mm bei einer Frequenz von 16 Hz. Dies beeinträchtigt die Positioniergenauigkeit der Werkzeugspindel und begrenzt die maximal mögliche Dynamik des Direktantriebs der A3-Achse.

Schwingungsanregung der Struktur durch Bewegung der A3-Achse

 

Die aktuelle Regelungsmethode des Hybridantriebs führt hauptsächlich zu einer Versteifung der A2-Achse. Für die beiden Motoren der A2-Achse wurde eine Kaskadenregelung mit Geschwindigkeitsvorsteuerung implementiert. Der am beweglichen Teil angebrachte Torquemotor dient als Hilfsaktor zur Kompensation von Gelenkwinkelfehlern bei höheren Frequenzen. Die bisher eingesetzte Regelungsmethode hat sich jedoch als unzureichend erwiesen, um die Strukturschwingungen vollständig zu kompensieren. Daher ist eine neuartige Regelungsmethode erforderlich, die das Schwingungsverhalten der gesamten Roboterstruktur beeinflusst. Die zentrale Herausforderung im Forschungsprojekt „ASK-ROB“ besteht darin, das nichtlineare, posenabhängige Schwingungsverhalten der Roboterstruktur zu berücksichtigen, welches zeitvariabel ist. Der neue Regelungsansatz wird nachfolgend beschrieben. Die zu dämpfenden Schwingungen entstehen sowohl durch den Zerspanungsprozess selbst als auch durch hochdynamische Positioniervorgänge. Der Ansatz basiert auf einem modellbasierten Regelungsverfahren, das geeignete Dämpfungsmomente über den zusätzlichen Torquemotor in die Roboterstruktur einbringt. Die Regelparameter werden kontinuierlich an das positionsabhängige Schwingungsverhalten der Roboterstruktur angepasst. Dadurch wird für jede Roboterposition eine optimierte Schwingungsdämpfung gewährleistet. Die Entwicklung dieses selbstadaptiven Regelalgorithmus erfordert die Identifikation der relevanten Systemvariablen des Mehrkörpermodells. Im nächsten Schritt des Projekts wird ein Finite-Elemente-Modell (FE-Modell) der Roboterstruktur entwickelt, das durch experimentelle Modalanalyse angepasst wird. Optimierungsalgorithmen werden verwendet, um die Modellparameter zu verfeinern. Ziel ist die Erstellung von Nachgiebigkeitskennfeldern, die die Nachgiebigkeit des Roboters in Abhängigkeit von der Gelenkposition darstellen. Nach der Validierung des FE-Modells wird dieses verwendet, um ein echtzeitfähiges, positionsabhängiges Zustandsraummodell der Roboterstruktur zu erstellen. Anhand dieses Modells können die Reglerparameter in Echtzeit angepasst werden. Damit kann das Hauptziel des Projekts erreicht werden: die dynamische Steifigkeit der Roboterstruktur zu maximieren und eine optimale Schwingungsdämpfung über den gesamten Arbeitsbereich des Roboters zu gewährleisten.

Literaturverzeichnis:
[DEN17] Denkena B, Brüning J, Windels L, Euhus D, Kirsch S, Overbeck D, Lepper T (2017) Holistic process planning chain for robot machining. Production Engineering 11, Nr. 6: S. 715-22.
[HOP08] Hoppe M (2008) Fräsroboter für die Bearbeitung von Kunststoff und Aluminium. IPA-Workshop “Bearbeiten mit Industrierobotern”, Westkämper,
E. (Hrsg.), S. 80–92, Stuttgart.
[KLI17] Klimchik A, Ambiehl A, Garnier S, Furet B, Pashkevich A (2017) Comparison Study of Industrial Robots for High-Speed Machining. Mechatronics and Robotics Engineering for Advanced and Intelligent Manufacturing, S. 135–147, Springer International Publishing.

Text- und Bildquelle: Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, Leibniz Universität Hannover 

 

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