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Automatisierungstechnik

Wie innovativ sind wir?

04.07.2023
von Redaktion DER KONSTRUKTEUR

Helmut Schmid ist nicht nur Spezialist für innovative Geschäftsentwicklung, sondern auch ein Experte auf dem Gebiet der Robotik. Er hat viele Gesellschaften gegründet und erfolgreich entwickelt, Unternehmen saniert und reorganisiert sowie Absatzkanäle neu positioniert. Wir sprechen mit ihm über Ideen, die ein Start-up erfolgreich machen, über Mut und über die Robotik von morgen.

Nicole Steinicke: Herr Schmid, Sie gründeten 2016 die Universal Robots (Germany) GmbH in München, als Tochterunternehmen der Universal Robots A/S, Odense. Innerhalb von fünf Jahren entwickelten Sie die Gesellschaft in Westeuropa von einem Start-up zu einem Marktführer. Wie haben Sie das geschafft?

Helmut Schmid: Mit einem hochmotivierten Team, großartigen Produkten sowie mutigen und aktiven Partnern. Hört sich einfach und logisch an, ist es aber nicht, da es doch einiges zu beachten gibt. Wenn Sie allein starten, zählt jeder Mitarbeiter und muss fachlich und vor allem persönlich passen, um eine außergewöhnlich rasante Reise in einem Start-up mitzugehen. Die sogenannte Extrameile, Spaß, aber auch Entbehrungen gehören hier maßgeblich mit dazu. Dies gilt auch für das Partnernetzwerk, das stark gefordert ist und sich im selben Tempo mit entwickeln muss. Begeisterung und Überzeugung sind hier wichtig, um die Partner nicht schon frühzeitig wieder zu verlieren.

Nicole Steinicke: Ideen sind wichtige Impulse für Wachstum, Arbeitsplätze und den zukünftigen Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Ein Start-up zu gründen, braucht allerdings auch Mut. Was geben Sie Innovatoren mit auf den Weg und wie unterstützen Sie „junge“ Unternehmen?

“Um mit der Entwicklung rund um KI mithalten zu können, sollten wir mehr Aufklärungsarbeit leisten.”

Helmut Schmid: Es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, ob ein Kunde das Produkt wirklich braucht und nicht darauf zu vertrauen, dass ein super innovatives Produkt allein reicht. Das ideale Kundenprofil (ICP) für das jeweils neu entwickelte Produkt zu finden und den Kundennutzen eindeutig herauszuarbeiten, sollte zu Beginn im Fokus stehen. Danach so schnell wie möglich in Vertrieb und Marketing investieren, denn es gibt keinen eindeutigeren Beweis, ob ein Produkt für den Markt passt oder nicht als zahlende Kunden und die dazugehörigen Bestelleingänge. Wenn der erste Versuch nicht funktioniert, was durchaus der Fall sein kann, sofort ändern, etwas Neues ausprobieren, weitermachen und schnell daraus lernen. Fail but fail fast und nicht zu Tode optimieren, sondern etwas anderes versuchen. Hier unterstütze ich darin, das Bewusstsein zu schärfen und Wege aufzuzeigen, wie man das gemeinsam erreichen kann. Denn, wenn es den mutigen Gründern an etwas fehlt, ist dies meistens nur Erfahrung.

Nicole Steinicke: Als Experte in den Bereichen Automatisierung und Robotik begleiten Sie die Trends insbesondere mit Blick auf wirtschaftliche industrielle Prozesse. Welche Rolle wird hierbei künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft spielen? In welchen Einsatzgebieten sehen Sie den größten Nutzen?

Helmut Schmid: Künstliche Intelligenz spielt bereits heute in der Forschung eine entscheidende Rolle, wird aber zukünftig auch in industriellen Anwendungen immer wichtiger werden. KI wird sich permanent weiterentwickeln und nicht mehr wegzudenken sein. So werden Roboter voraussichtlich komplexe Aufgaben selbstständig erlernen und ohne großen Programmieraufwand schnell einsatzfähig sein. Der Weg zur DIY-Robotik (Do it yourself) wird dadurch noch schneller erreichbar sein. KI wird mit entscheidend für die Weiterentwicklung der mobilen Robotik (AMR) sein, um die Umgebung und Interaktion mit den Menschen noch besser wahrzunehmen, Entscheidungen zu treffen und sicher in einem hochdynamischen Umfeld zu navigieren. Aufgrund der enormen Datenmengen, die verarbeitet werden können, werden Einsatzgebiete wie die Qualitätskontrolle, die Optimierung von logistischen Prozessen und Prozesse und Abläufe im Allgemeinen im Fokus stehen. Aber auch außerhalb der Industrie wird der Einsatz von KI & Robotik in der Medizin, im Agrarsektor und in Service- und Dienstleistungsbereichen eine sehr wichtige Rolle spielen.

Nicole Steinicke: Digitalisierung und KI sind zwar in aller Munde, bringen aber auch Unsicherheit in Unternehmen.
Was macht die Lage so undurchsichtig und warum fühlen sich gerade kleine und mittelständische Betriebe überfordert?

Helmut Schmid: Die Komplexität und die Schnelligkeit der Entwicklung birgt die Gefahr, nicht immer auf dem Laufenden zu sein und daher das richtige Verständnis für den jeweiligen Anwendungsfall aufzubringen. Alle reden über KI, meinen aber maschinelles Lernen, Deep Learning, spezielle Algorithmen oder sogar Neuronale Netze? Allein dieses Sammelsurium von Begrifflichkeiten macht es für Laien schon schwierig, zu wissen, wovon denn gerade geredet wird, da alles in einen Topf geworfen wird. Aufklärung tut hier Not, und einige skandinavische Länder können hier als Vorbild sehr gut herhalten. Sie sind, wie im schulischen System, mit kostenfreien Angeboten schon ganz vorne mit dabei.

Nicole Steinicke: Innovative Unternehmen wie Robominds stellen in diesem Jahr eine neue Entwicklung vor, die industriellen Robotern menschliche Intelligenz verleihen soll. Wie wirken sich derartige Entwicklungen auf den Faktor Mensch aus?

Helmut Schmid: Es heißt bewusst künstliche Intelligenz und nicht menschliche Intelligenz, da enorme Unterschiede zwischen beiden bestehen. Ich sehe eine Vermischung der Begrifflichkeiten als sehr kritisch an, da das menschliche Gehirn und Bewusstsein aus Emotionen, Empfindungen, Empathie, sozialen Interaktionen, Gefühlen, Kreativität, Vorstellungskraft, Ironie und vielem mehr besteht. Wir Menschen sind einzigartig, jeder einzelne von uns. Wir sollten uns daher Maschinen und künstliche Intelligenz zu Nutze machen, um den enormen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel und dem Erhalt des Wohlstandes für unsere Gesellschaft zu begegnen, aber nicht die Maschine menschengleich gestalten. Das hätte aus meiner Sicht verheerende Auswirkungen auf den Menschen und die Gesellschaft.

Nicole Steinicke: Ein wichtiger Indikator für die Innovationsfähigkeit eines Landes ist die Zahl der Patentanmeldungen. Im letzten Jahr war sie so niedrig, wie seit zehn Jahren nicht mehr. Während Erfindungen aus dem Bereich Elektrotechnik zunehmen, sinken sie dagegen aus dem Maschinenbau und der Automobilindustrie, wo wir traditionell eigentlich stark sind. Woran liegt das aus Ihrer Sicht? Hinken wir dem strukturellen Wandel hinterher, wenn wir an neue Entwicklungen im Bereich Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz oder auch in der Batterietechnologie denken?

“Wir haben in Deutschland im Bereich KI, Robotik und Digitalisierung mit die
besten Forscher weltweit.”

Helmut Schmid: Nein, denn wir haben in Deutschland auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, Robotik und Digitalisierung mit die besten Forscher und Industriepartner weltweit. Leider spielen aber Geld und Investitionen eine bedeutende und entscheidende Rolle. Wenn wir in Deutschland 2019 ca. 3,2 Mrd. $ in KI investiert haben, sind dies in China ca. 15,2 Mrd. $ und in den USA rund 40 Mrd. $. Um den Anschluss nicht weiter zu verlieren, sollte mehr investiert oder als eine europäische Einheit gehandelt werden, um nicht das Szenario der verlorenen Batterietechnologie nochmal zu erleben. Dasselbe gilt für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau, mit dem wir weltweit noch führend sind. Diesen Vorsprung gilt es, durch Investitionen zu halten, weiter auszubauen. Aber auch die schulischen Grundlagen und die Attraktivität der MINT-Fächer für die junge Generation sollten wir weiter interessant und zukunftsorientiert gestalten.

Nicole Steinicke: Sie haben 30 Jahre Industrieerfahrung und fokussieren sich heute unter anderem auf umfassende Unternehmensberatung. Wie sieht diese aus?

Helmut Schmid: Der Schwerpunkt meiner Beratungstätigkeit liegt auf dem erfolgreichen Auf- und Ausbau von Gesellschaften und der profitablen Umsetzung der Geschäftsmodelle. Hierbei spielt die Beratung in Fragen der Unternehmens-, Vertrieb-, Marketing- und Geschäftsentwicklungsstrategie die treibende Rolle. National, wie international. Das heißt vom Start-up zum Scale-up und weiter zum Marktführer mit Schwerpunkt KI, Robotik und Automatisierung. Darüber hinaus berate ich Investmentgesellschaften und Family Offices als Branchenexperte und unterstütze als Interim Manager und Beirat während des Beteiligungsprozesses.

Nicole Steinicke: Als Vorstand des Deutschen Robotik Verbandes (DRV) tragen Sie auch dazu bei, dass Erfahrungen und Wissen in ein Netzwerk fließen und anderen zur Verfügung gestellt werden können. Wie können sich Interessenten informieren?

Helmut Schmid: Der Deutsche Robotik Verband versteht sich als Netzwerk und Informationsplattform, um die Demokratisierung der Robotik in Deutschland und damit die Sicherung des Industriestandortes und den Wohlstand der Gesellschaft weiter hochzuhalten. Wir veranstalten monatlich einen freizugänglichen Roboter-Stammtisch für alle Interessierten und arbeiten an einem Roboter-Führerschein, um Hemmnisse und Einstiegshürden in die Robotik zu reduzieren. Mehr finden Interessierte unter www.robotikverband.de.

 

“Die Möglichkeiten der KI scheinen unendlich, dennoch habe ich den Eindruck, wir verschlafen den Aufbau einer eigenen KI-Industrie. Wir haben groß­artige Forscher und mutige Unternehmer. Doch durch Mangel an Kapital, Unterstützung der Industrie und Daten bleibt deutschen Firmen meist nur die Nische, in der sie sich etablieren können. Für Start-ups bilden zudem hohe Kosten und Bürokratie oft unüberwindbare Hürden.”

Nicole Steinicke, Chefredakteurin DER KONSTRUKTEUR

 

PODCAST: Robotik in der Industrie

Alle zwei Wochen diskutieren Robert Weber und Helmut Schmid über Robotik in der Industrie – es geht um Technologien, Märkte, Menschen, Ausbildung und Anwendungen. Damit sollen vor allem auch kleine und mittelständische Unternehmen ermutigt werden, Robotik einzusetzen. Denn neben Künstlicher Intelligenz und dem Internet of Things wird Robotik in der industriellen Fertigung nahezu unverzichtbar. Mehr dazu auf podigee unter https://robotikpodcast.podigee.io

 

Text-/Bildquelle: Aufmacher Hintergrund TippaPatt – stock.adobe.com, sonstige hs-auxsilium

Das Interview führte Dipl.-Ing. (FH) Nicole Steinicke, Chefredakteurin DER KONSTRUKTEUR

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